13. Wirtschaftliche Bedeutung des Ölbaums.

Vergegenwärtigt man sich also, welche immerhin bedeutenden Summen jahraus jahrein durch die Ausfuhr von Olivenöl in die Mittelmeerländer gelangen, und daß der Verbrauch im Lande selber wohl das Doppelte und Dreifache ausmacht, so erscheint die wirtschaftliche Bedeutung des Ölbaums für diese Länder doch als außerordentlich groß. Bei einzelnen, wie etwa Tunesien, bildet er den Grundpfeiler, auf dem das ganze Wirtschaftsleben ruht, ja in ganzen Landschaften, wie in Apulien, der Provinz Porto Maurizio und auf einzelnen griechischen Inseln, wie Korfu, Kreta, Mytilene, hängt geradezu das Wohl und Wehe der Bewohner allein von diesem einen Baume ab. Ist die Olivenernte gut, so hebt sich der Wohlstand, mehrere schlechte Ernten hintereinander mindern die Kaufkraft der Bewohner und beeinflussen den Gesamthandel auf das empfindlichste. Wie schon das in der Einleitung aus Südfrankreich erwähnte Beispiel zeigt, vermag dieser eine Baum, trotz der geringen Pflege, die er meist erfährt, und die bewirkt, daß er, selbst wenn nicht günstige Witterungsverhältnisse störend eingreifen, nur ein Jahr ums andre eine volle Ernte bringt, eine ungewöhnliche Verdichtung der Bevölkerung herbeizuführen, also ähnlich wie die Weinrebe in Deutschland, soweit es sich lediglich um den Anbau des Bodens handelt, die größte Verdichtung der Bevölkerung hervorruft. Die 130 Köpfe, die auf Korfu auf 1 qkm kommen, gegen 37 in Griechenland im Mittel, leben fast ausschließlich vom Ölbaum. Wo in Mitteltunesien heute 1—3 Menschen auf 1 qkm leben, lebten deren in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung 100, wie noch heute im tunesischen Sahel, soweit die Olivenhaine reichen, deren 100 wohnen.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904