16. Italien

Nach Spanien ist Italien das olivenreichste Land, ja es ist die verhältnismäßig geradezu olivenreichste unter den Mittelmeerhalbinseln, auf welcher im Landschaftscharakter vor allem der Ölbaum die größte Rolle spielt. Nur eine einzige unter den Landschaften Italiens entbehrt der Olivenzucht: Piemont. Freilich ist dieselbe auch in der Lombardei und Venetien von geringer Bedeutung und auf einen schmalen, noch dazu mehrfach unterbrochenen Landstreifen unmittelbar auf den untersten Hügeln der Alpen, im Schutze des Alpenwalls, beschränkt, namentlich im milden Anhauche der Seen.

Die Polargrenze beschreibt daher, in Ligurien im allgemeinen der Küste in geringem Abstand parallel, wenn auch mit Ausstülpungen in einzelnen Tälern, verlaufend, eine erste wunderliche Schlinge, indem sie in Mittelitalien den Appennin mit seinen Wäldern von Kastanien, Buchen und Tannen oberhalb der Olivenregion ausschließt und denselben erst im Neapolitanischen, etwas nördlich vom 41. Parallel, überschreitet, in der Gegend, wo neben Faltungserscheinungen Bruchbildungen den orographischen Charakter des Gebirges mehr und mehr beeinflussen, ja örtlich vor ersteren überwiegen, SO daß dasselbe in geringer Höhe durchschritten, nicht überstiegen wird. Dort, wo man aus dem Bruchfelde der Kampanischen Ebene, ohne größere Höhen zu erreichen als 700 m, in die Tiefebene von Apulien gelangt, reicht auch die Olivenregion, deren obere Grenze hier bei 700 m liegt, von Meer zu Meer. Von dieser südlichsten Ausstülpung schwingt sich die Polargrenze des Ölbaums an den äußeren Hängen der Appenninen wieder nach Norden bis in die Gegend von Bologna. Von dort verläuft sie quer über die nördlichste Ausbuchtung des Adriatischen Meeres gegen Triest und beschreibt von dort am Fuße der Alpen entlang eine schmale, bei Triest selbst nur wenige hundert Meter breite Schlinge bis zum Langensee nach Westen. Vielleicht nimmt man hier sogar besser ein inselförmiges Verbreitungsgebiet an. Nur am Gardasee verbreitert sich dieser Gürtel außerordentlich, indem im Sarcatal recht ansehnliche Olivenhaine sich bis über Arco, bis Padernone (Vezzano), 46° 5' n. Br., nach Norden ausdehnen. Ja, vereinzelte Ölbäume findet man noch bei Bozen. Inselartig sind dieser Gegend im Süden die Euganeischen Hügel bei Padua und die Bericischen bei Vicenza vorgelagert, an deren geschützten, dem Süden zugekehrten Hängen der Ölbaum seine Daseinsbedingungen noch findet. Hier im Sarcatal, westlich von Trient, erreicht also unter 46° 5' n. Br. die Olivenzucht ihre höchste Breite überhaupt. Die ganze Poebene ist also von derselben ausgeschlossen, wie von derselben die kalten Winter ja fast sämtliche Vertreter der Mittelmeerflora ausschließen. In und bei Venedig, das ja seiner Lage sozusagen im Meere wesentlich mildere Winter verdankt, sieht man wohl hier und da einen Ölbaum.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904