16. Italien - Fortsetzung

Am bedeutendsten ist in Oberitalien wohl die Olivenzucht am Gardasee, an dessen felsigen Hängen am Westufer auf italienischem Gebiet 1500, am Ostufer 1100 ha mit Oliven bepflanzt sind1). Namentlich gedeihen dieselben auf der Halbinsel Sirmione und bei Limone S. Giovanni gut. Sie steigen bis 450 m empor. Ähnlich am Iseo-, Como- und Langensee. Bei Bellaggio am Comersee sieht man schöne Ölbaume. Auf den Hügeln am Rande der Alpen, zwischen den Seen, kommen noch kleine Pflanzungen und Gruppen von Ölbäumen vor, Reste einst größerer Pflanzungen. Auch bei Lugano und Locarno sieht man noch einzelne Ölbäume. Östlich vom Gardasee finden sich in geschützten Lagen am Fuß der Alpen verstreute Pflanzungen, namentlich bei Verona, Vicenza, Breganze und Marostica. Es sind meist vernachlässigte Reste früherer Pflanzungen. In Friaul folgt dann eine Unterbrechung dieses Olivengürtels, der erst wieder bei Görz, Monfalcone und Duino einsetzt.

Ligurien ist eine der olivenreichsten Landschaften Italiens, je weiter nach Westen, um so mehr. In der Provinz Porto Maurizio ist das ganze wirtschaftliche Leben vom Ölbaum abhängig, der in dichten Hainen die kleinen Küstenebenen wie die steilen, vielfach terrassierten Hänge bis tief hinein in die Täler wie mit einem immergrünen Mantel umhüllt. Porto Maurizio selbst, San Remo, Bordighera sind die Mittelpunkte ganzer Olivenlandschaften. Im Frühjahr, wo dort allgemein noch die zahlreichen Ölpressen in Betrieb sind, kann man oft die wasserarmen Gießbäche dunkel gefärbt sehen von den Abflüssen derselben. Auch ein Porto Ulivo, einen Olivenhafen, gibt es hier.

Von Ligurien setzt sich der Gürtel der Olivenhaine an den Hängen der Apuanischen Alpen ununterbrochen nach Toskana fort, wo er sich von dem von jeher durch vorzügliches Öl berühmten Lucca an rasch verbreitert und aus den Tälern des Serchio und Arno über einen großen Teil des toskanischen Hügellandes ausbreitet bis tief in die Täler des Appennin hinein. Wie von Ligurien, so ist der Ölbaum auch der Charakterbaum von Toskana. Wie rings um Florenz und Pistoja alle Hügel mit Ölbäumen bedeckt sind, so auch um Arezzo und Siena. Im Casentino begleiten den Arno Olivenhaine bis Prato vecchio nahe bei Stia, also bis nahe an die Quelle. Ähnlich den Tiber bis San Sepolcro. Auf dem Hochlande von Toskana liegt südlich von Asciano die berühmte Abtei Monte Oliveto, die Pflanzstätte der Olivetaner. Das Küstengebiet ist in seiner durch die Malaria hervorgerufenen Verödung auch arm an Olivenhainen. Das toskanische Öl erfreut sich allgemein eines guten Rufes. Weiter nach Süden verschwindet der Ölbaum auf große Strecken ganz aus dem Appenninenvorlande und erscheint erst wieder an den Hängen des Appennin. So besonders in Latium, wo man nur am Albaner Gebirge Ölbäume findet. Ähnlich im Bereich der Pontinischen Sümpfe und im größten Teil von Kampanien, bis an der Halbinsel von Sorrent auch der Gürtel der Olivenhaine aus dem Innern wieder ans Meer tritt. Letztere ist an der Nord- wie an der Südseite bis Amalfi und Salerno hin in großer Ausdehnung von Ölbäumen bedeckt. Auf Capri sind Ölbäume fast die einzigen Bäume. Nicht nur die Form der Ebene, auch das Fehlen dieses Charakterbaums verleiht diesen Landschaften des tyrrhenischen Appenninenvorlandes ganz andern Charakter. Es ist der Boden und seine übergroße Feuchtigkeit, der erfahrungsgemäß wohl schon im Altertum Olivenzucht hier als weniger lohnend hingestellt hat. Um so größer ist der Gegensatz der dunkeln Olivenhaine, die überall den lichten, warmen, trocknen, meist felsigen Kalkboden der unteren Hänge der meist steil über dem niedrigen, ebenen Vorlande aufsteigenden Appenninen verhüllen. So in Umbrien, wo Perugia, Foligno, Spoleto, Terni Mittelpunkte ganzer Olivenlandschaften sind. Alle Höhen rings um das Becken von Foligno sind von Olivenhainen bedeckt, Terni liegt mitten in einem ungeheuren Olivenhaine. So in den Sabiner Bergen und rings um die Kampanisohe Ebene.

1) Salitro, S. 185. Eine im Jahre 1876 vom italienischen Ackerbauministerium veröffentlichte Karte (Atlante delle principali colture agrarie in Italia, Taf. XII) stellt die ganzen Provinzen in Farbentönen nach dem Mittel des Jahrfünfts 1870—74 und dem Verhältnis der in jeder Provinz mit Oliven bestandenen Fläche zur Größe der Provinz dar, gibt also als statistische Karte kein klares Bild der wirklichen Verbreitung der Olivenzucht.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904