10. Speiseoliven.

Die Oliven werden teils als Speiseoliven, teils zur Ölbereitung verwendet. Nach der verhältnismäßig geringen Rolle, welche Speiseoliven auch heute noch, trotz stetig wachsendem Verbrauch, im außermediterranen Europa spielen, ist man leicht geneigt, diese Bedeutung der Olive zu unterschätzen. Schon bei den Römern waren Salzoliven sehr beliebt; Horaz zog sie jedem Leckerbissen vor (Oden V, 2). Es gab raffinierte Verfahren für ihre Zubereitung. In den Vereinigten Staaten werden neuerdings ungeheure, rasch steigende Mengen Oliven verbraucht. Die kalifornische Olivenzucht liefert fast nur Salzoliven. Weit größer aber sind die Mengen Oliven, die als Speiseoliven in den Mittelmeerländern sowohl in der Hand des niederen Volks als auf der Tafel des Reichen Verwendung finden. Die Olive ist dort geradezu wichtige Volksnahrung, und mehr in getrocknetem und, um sie wohlschmeckend zu machen und die Bitterkeit zu beseitigen, in sonst noch künstlich vorbereitetem Zustande, in welchem sie zu Brot gegessen wird, als Salzolive, als welche sie die Eßlust anregen soll, oder als Zutat zu den verschiedensten Speisen verwendet wird. In Algerien gibt es Sorten, die, völlig reif und etwas getrocknet, ohne Zubereitung gegessen werden. In Syrien legt man nach Burckhardt die zum Verspeisen bestimmten Oliven zwei Wochen in Wasser, dem ein Teil Kalk und zwei Teile Alkali zugesetzt werden, um ihnen den bittern Geschmack zu nehmen, wobei freilich auch ein Teil des Aromas verloren geht. All die verschiedenen Verfahren, um Speiseoliven zu liefern, sind zwar einfach, aber langwierig. Zu Salzoliven verwendet man meist die größten und fleischigsten, wenn auch nicht die ölreichsten Sorten, die im Herbst zuerst sorgsam gepflückt und in eine leichte Salzlösung gelegt werden, ehe sie die volle Reife erlangt haben. Man fügt wohl dem Salzwasser als Würze noch Zwiebeln und Piment hinzu, wie in der Oase Biskra. Gewisse Sorten werden überhaupt nur gezogen, um Salzoliven zu liefern. In den Olivenländern ist kaum eine Mahlzeit zu denken ohne Oliven. Es gibt Gegenden, wo die Hälfte der geernteten Oliven zu Speisezwecken vorbereitet und verwendet wird. Namentlich an der Polargrenze überwiegt dieser Zweck vor der Ölbereitung, und Salzoliven bilden einen stetig wachsenden Gegenstand der Ausfuhr der Mittelmeerländer nach Europa und den Vereinigten Staaten. In Tunesien findet man ausgezeichnete Tafeloliven, so groß wie Aprikosen, die aber noch wenig in den Handel kommen. Hochgeschätzt sind auch die großen, grünen Oliven von Damaskus. Die besten Salzoliven, die ich irgendwo in den Mittelmeerländern gefunden und nach Deutschland eingeführt habe, liefert Andalusien, besonders Sevilla. In kleinen Tönnchen aus Eichenholz kommen sie in den Handel.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904