5. Die Kultur des Ölbaums.

Es vergehen also jedenfalls 15—20 Jahre, ehe der Ölbaum seinen vollen Wert erlangt. So verstehen wir, daß der Wohlstand eines vorwiegend Olivenzucht treibenden Landes durch Umhauen der Bäume, wie es die Römer in Palästina, Türken und Ägypter in Griechenland gründlich taten, vernichtet werden kann, als bei irgendwelcher anderen Bodenverwertung.

Die Pflege des Baumes ist meist eine mangelhafte. Bei hochentwickelter Kultur wird der Boden, wie alt die Pflanzung auch sei, jedes Jahr von Oktober bis Mai fünfmal umgearbeitet, zweimal mit dem Pfluge, dreimal mit der Hacke, der man in Tunesien eine eigene zweckmäßige Form gegeben hat, der sog. maächa, so daß kein Unkraut auf kommen, die Feuchtigkeit und Luft an die Wurzeln gelangen kann. Der zwischen den Baumreihen, solange die Bäume jung sind, zur Aussaat von Weizen, Gerste oder Bohnen verwertete Streifen Land wird dabei von Jahr zu Jahr, der Entwickelung der Bäume entsprechend, immer schmäler und fällt nach 6 Jahren ganz weg. Alle 2 Jahre wird der Baum beschnitten, nach guten Ernten stark, alle 5 Jahre wird gründlich gedüngt. Beim Beschneiden sucht man zugleich eine schöne Form zu erzielen, meist rund oder, wie vielfach in Südfrankreich, Becherform, die Äste annähernd in gleichem Abstande, so daß Luft, Licht und Sonne reichlich einwirken können. Man bedient sich dabei der Stehleitern und läßt die Bäume der bequemeren Behandlung und des Aberntens wegen auch nicht sehr hoch werden. In Tunesien gibt es sehr geschickte, als solche staatlich anerkannte Beschneider, die bis 3,50 Francs Tagelohn erhalten, während sie früher nur das Holz erhielten, das sie abschnitten. Das hatte zur Folge, daß die Bäume nicht selten zu Stümpfen verschnitten wurden. Wie wichtig rationelle Beschneidung auch für die Erzielung regelmäßiger jährlicher Ernten ist, hat man in Kalifornien festgestellt, da der Baum nämlich nur an Zweigen vom vorigen Jahre Früchte trägt und niemals zweimal an derselben Stelle. Sich selbst überlassen erreicht der Ölbaum, je nach Boden und Klima, nicht selten die stattliche Höhe von 10—20 m und ein sehr malerisches Aussehen. Daß aber eine Olivenpflanzung schnurgerader Reihen beschnittener Bäume malerisch sei, wird niemand behaupten. Aber man sieht sie nicht zu oft, da in den meisten Ländern der Baum überhaupt wenig gepflegt wird. Jedenfalls machen solche Pflanzungen den Eindruck höchster Kultur, ja ein alter Olivenhain ist ein Erzeugnis höchster Bodenkultur, ein Zeuge alter, an dieser Stelle herrschender Kultur, lange andauernder friedlicher Ordnung. Der Ölbaum gehört zu den Erziehern der Menschheit zu höherer Gesittung.

1) Kobelt, Reiseerinnerungen, S. 206.
2) K. Ritter, Asien, Bd. XIII, S. 534.
3) Robinson, Phys. Geogr. des Heiligen Landes, Leipzig 1865, S. 126.
4) H. Barth, Reisen in Nord- und Zentralafrika I, S. 80.
5) Coutance, L'Olivier, S. 98.
6) A. a. O., S. 153.
7) J. Schmidt, Beiträge zur phys. Geogr. von Griechenland, Athen 1861, S. 292.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904