5. Die Kultur des Ölbaums.

Nach dem Gelände, ob eben oder reich gegliedert, ob am Hange oder auf Terrassen, ob Gemischtkultur oder nicht, ist die Anzahl der Bäume, die man auf 1 ha rechnet, verschieden. In Südfrankreich, wo die Olivenzucht sehr sorgsam betrieben wird, pflanzt man bei ebenem Gelände 125 Bäume auf 1 ha, bei reich gegliedertem wohl bis 200, in Ligurien 220, in Toskana 280, in Syrien 200, in Sizilien und Spanien gelegentlich bei Gemischtkultur nur 80—100, bei Smyrna 100. In dem großen Olivenhaine, der das tunesische Sfax3) umgibt, und wo die Kultur des Ölbaums wohl den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht hat, pflanzt man nur 17 Bäume auf 1 ha, also 24 m voneinander, die, mit 15 Jahren zum vollen Ertrage gekommen, soviel einbringen wie 50 im Sahel, 100—120 in Nordtunesien. Nur während der ersten 6 Jahre bebaut man den Boden dazwischen mit Weizen, Gerste oder Bohnen. Wenigstens einmal im Jahr muß der Boden umgearbeitet und vom Unkraut gesäubert werden. Im tunesischen Sahel, das die besten Oliven hervorbringt, bearbeitet man den Boden drei- bis viermal im Jahr, in Sfax fünfmal. Auch Düngung ist nötig; vielfach leitet man auch das Regenwasser möglichst an die Bäume und pflanzt dieselben in künstliche Vertiefungen. In trockenen Gegenden, wie namentlich im Ebrobecken von Aragonien, hie und da in Andalusien, im südlichen Marokko allgemein, in Griechenland am Kephissos, werden die Ölbäume künstlich bewässert. Bei jungen Pflanzungen ist dies wegen der sommerlichen Regenarmut fast überall nötig, bis die Bäumchen genügend Wurzeln getrieben haben. Zur Düngung dienen allerhand Abfallstoffe, besonders tierische, selbst Leder, Hühnerfedern, die Rückstände der ausgepreßten Oliven, auch künstliche Dünger werden angewandt. Freilich unterbleibt die Düngung in den meisten Ländern ganz. Bei gemischten Kulturen bedarf es reichlicher Düngung und mehrmaliger Bearbeitung des Bodens.

Die Veredelung erfolgt durch Pfropfen oder Okulieren 7—10jähriger Pflänzlinge. Wie die französische Regierung in Algerien lange Zeit auf die Veredelung des Oleaster Belohnungen gesetzt hat, so gab und gibt es in der Kabylei Familien, welche das Pfropfen der Ölbäume als frommes Werk nur gegen Gewährung der kärglichen Nahrung betreiben und von Dorf zu Dorf ziehen, wohl ein Erbstück aus uralter Heidenzeit, wo der Ölbaum einen besonderen Schutzgott gehabt hat, dessen Priester die Veredelung, das große Geheimnis, das die klugen Kaufleute aus dem Osten nach Nordafrika gebracht haben, übten1). Die veredelten jungen Ölbäume beginnen nach 3 Jahren Früchte zu tragen, aber erst nach 8—9 Jahren kommen sie zu vollem Ertrage, den sie dann freilich bei entsprechender Pflege, namentlich alle 50 Jahre durch gründliches Zurückschneiden und Düngung vorgenommene Verjüngung, auf Jahrhunderte beizubehalten vermögen, denn der Ölbaum besitzt bei sehr langsamem Wachstum eine so ungeheuere Lebenskraft, daß man ihn geradezu unvergänglich nennen kann. Der Ölbaum des Erechtheion (Herodot VIII, 55), der bei der Zerstörung von Athen durch die Perser verbrannt war, machte am zweiten Tage aus dem Stumpfe einen kräftigen Trieb. Daß der Wind einen Ölbaum entwurzelt, ist eine große Seltenheit. Seine Wurzeln umklammern die Felsen und dringen tief in die Spalten ein. Geht der ursprüngliche Stamm zugrunde, indem er hohl und die Wände immer dünner werden, so löst er sich in mehrere Bäume auf, indem die Rinde von außen nach innen um die Spaltstellen herumwächst und die Wunden schließt; der alte Stamm wird durch Wurzelschößlinge ersetzt. Bei der Eroberung von Palästina bestimmten die Araber, daß jeder Ölbaum 1 Medin an den Schatz des Kalifen entrichte, von jedem später gepflanzten gehörte die Hälfte des Ertrags der Krone. Diese Bestimmung hielten auch die Türken aufrecht, und so zahlen noch heute 8 uralte Ölbäume im Garten Gethsemane bei Jerusalem nur je 1 Medin Steuer, woraus man schließt, daß sie aus byzantinischer Zeit stammen, ja daß Christus unter ihnen gewandelt sei2). Der stärkste derselben hat in Brusthöhe 2 m Durchmesser. Sie sind zum Schutze gegen Wind innerlich mit Steinen gefüllt und mit Steinen umhäuft. Jedenfalls müßten die Kreuzfahrer, die bei der Belagerung von Jerusalem alle Bäume umhieben, diese geschont haben. Solch alte Ölbäume nennt das Volk in Palästina auch griechische3), wie man sie in Sizilien allgemein sarazenische und in Tripolitanien rhurs Pharaön, Pflanzung der Pharaonen4), nennt. Auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1867 war ein 1000jähriger Olivenstamm aus Algerien ausgestellt5). Bei Beaulieu an der Bucht von Villafranca gibt es einen Pignole genannten Ölbaum, der schon 1515 als alt galt und dessen Stamm am Grunde 121/2, in 1 m Höhe über dem Boden 61/4 m Umfang hat. In dem sog. Heiligen Haine bei Blidah in Algerien sah Tchihatcheff6) Ölbäume von 4,35 m Umfang. In dem Olivenhaine am. Kephissos bei Athen sind Stämme von 1—1 1/2 m Durchmesser keine Seltenheit, ja solche von 2—3 m kommen vor7). Nach Rikli sind in der korsischen Balagna alte Ölbäume, die zu umspannen 3—4 Mann erforderlich wären, nicht besonders selten.

1) Plutarch, Solon c. XXIII.
2) Grundzüge, S. 276.
3) De Lespinasse Langeac, La culture de l'olivier en Tunisie, Revue Generale des sciences pures et appliquees 1896, S. 110. Näheres bei Tunesien.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904