So kommen heute im Sahel Mitteltunesiens ausgedehnte Olivenhaine vor und finden sich im Innern noch vereinzelte Ölbäume und Gruppen solcher in Gegenden, deren auf die Zeit von November bis März zusammengedrängte Niederschläge nur 200 mm betragen. Bei Sfax3) kann man nur alle 3 Jahre, tiefer im Innern nur alle 4—5 Jahre auf eine Getreideernte rechnen, während der Ölbaum dort ohne künstliche Berieselung ganz ausgezeichnet gedeiht und der Ölgehalt der Oliven, wie wir sehen werden, höher ist als irgendwo. Es herrschen dort quartäre, leichte, sandig-kalkige Bodenarten vor, durch Eisengehalt rot gefärbt, reich an Pottasche, aber arm an Stickstoff, Phosphorsäure und Humus. Dieser Boden ist ziemlich durchlässig, hält aber, wie Untersuchungen bei Sfax gezeigt haben, die Feuchtigkeit in geringer Tiefe fest. Wenn der Wassergehalt des Bodens an der Oberfläche gleich Null war, war er schon in 1 m Tiefe gleich 14. Nach mehrmonatiger Regenlosigkeit war er in 0,20m Tiefe schon so feucht, daß man ihn mit der Hand zusammenballen konnte. Zu der Niederschlagshöhe von Sfax von 277 mm, die fast ganz vom Boden aufgesogen wird, kommen sehr bedeutende Taufälle hinzu. An 52 Morgen in den Monaten Mai und Juni, also fast täglich, beobachtete Bertainchand Taufälle, bei denen die Zeltdecken wie nach Regen von Nässe trieften. Diese sich in 10—15 m Tiefe auf einer undurchlässigen Tonschicht sammelnden Mengen Feuchtigkeit führen im Sommer, durch die Verdunstung emporsteigend, den Wurzeln der Bäume zugleich Nährstoffe zu. Da dieser Boden auch an und für sich sehr fruchtbar ist, so daß man weiter nordwärts bei Susa, wo die jährliche Niederschlagshöhe bereits 443 mm beträgt, ziemlich regelmäßige Ernten erzielt, so sind die Bedingungen zu lohnender Baum- und in erster Linie Olivenzucht auch noch da gegeben, wo Getreidebau, wie bei Sfax, wo man nur alle 3 Jahre auf eine Ernte rechnen kann, nicht mehr lohnend ist. So ist Sfax von einem großen, jetzt sich rasch durch Neupflanzungen ausdehnenden Olivenhaine umschlossen, und liegen Beweise vor, daß in der römischen Kaiserzeit dieses ganze Mitteltunesien einen einzigen ungeheuren Frucht-, namentlich aber Olivenhain bildete. Reste desselben, einzelne alte Oliven, größere oder kleinere Gruppen solcher, sind in dem heute völlig steppenhaften und von Ganz oder Halbnomaden bewohnten Mitteltunesien bis weit ins Innere erhalten. Wo sie fehlen, zeugen Trümmer von größeren oder kleineren römischen Ansiedelungen, die noch vielfach als landwirtschaftlichen Zwecken dienend zu erkennen sind, namentlich aber zahllose, über die Steppe verstreute Ölpressen und Trümmer von Ölmühlen von der ehemaligen dichten, auf Olivenzucht begründeten Besiedelung. Bourde zählte zwischen Kasserin und Sbeitla nur an dem 34 km langen Wege 32 noch deutlich erkennbare derartige Anlagen, die meisten mit mehreren Ölmühlen und Wirtschaftsgebäuden, einzelne kleine Dörfer. Die französische Regierung hat um Sbeitla 27000 ha vermessen lassen unter besonders sorgsamer Aufnahme aller vorhandenen Altertümer. Der aufnehmende Ingenieur hat außer Sbeitla noch 3 Städte, 15 größere und 49 kleinere Wohnplätze und 1007 Ölpressen auf diesem Gebiete nachgewiesen. Rechnet man auf jede Ölpresse 400 Ölbäume, so wäre dies Gebiet, wo heute nicht ein Baum steht, nur Unkraut und Gestrüpp, also mit einem Haine von 400000 Ölbäumen bedeckt gewesen. Etwa 43000 Menschen hätten auf einer Fläche gelebt, auf der beute kaum 1500 Nomaden ihren Lebensunterhalt finden1). Ähnliche Beobachtungen machte ich auf dem Wege von Tebessa nach Kasserin, namentlich im Fussanabecken, das mit Trümmern von Öl- und Weinpressen übersät ist, und von Kasserin über Feriana nach Gafsa. Noch beim Einbruch der Araber, trotz der vorausgehenden verheerenden Kriege, war das Land, das sie daher staunend El Chadra, das grüne, nannten, mit Fruchthainen weithin bedeckt und überaus reich. Arabische Schriftsteller bezeugen ausdrücklich, daß dieser Reichtum auf Olivenzucht beruhte. Der Einbruch der Nomaden setzte bald an Stelle dieser durch hohe Kultur im Laufe von Jahrhunderten geschaffenen Fruchthaine die Steppe. Die zahllosen Wasseranlagen der verschiedensten Art, die darauf abzielten, alles Wasser zu sammeln, aufzuspeichern und zu verwerten, aber nur für Menschen und Tiere, nicht zu Berieselungszwecken, für die es nur ausnahmsweise ausreichte, gerieten in Verfall. Die archäologische Erforschung Tunesiens seitens der Franzosen hat erst die ungeheure Kulturarbeit klargelegt, welche Generationen in diesen Anlagen geleistet hatten. Nicht wenige derselben, namentlich Brunnen und Zisternen, dienen noch heute, nicht wenige, die nicht allzusehr beschädigt waren, sind wiederhergestellt2).

1) K. Neumann und J. Partsch, Phys. Geographie von Griechenland, S. 414.
2) Die folgende Darstellung beruht teils auf P. Bourde, Rapport sur les cultures fruitieres, teils auf Bertainchand, Note explicative sur la carte agronomique et hydrologique du bassin de l'oued Leben et l'oued Rann et en partieulier les terres de la region de Sfax, Paris 1896, teils auch auf den Beobachtungen, welche ich im Jahre 1886 bei meiner Bereisung Tunesiens machen konnte.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904