11. Ölgewinnung

Obiges vervollkommnete Verfahren ist aber bei weitem nicht allgemein in Anwendung, im Gegenteil es bildet noch die Ausnahme. In Südfrankreich, an einzelnen Punkten Liguriens, Apuliens und Siziliens, neuerdings auch in Algerien und Tunesien wird es angewendet. Meist ist das Verfahren noch ein sehr urtümliches, das seit dem Altertum kaum eine Vervollkommnung, ja, gegenüber dem sehr vervollkommneten Verfahren, das die Römer in Nordafrika anwendeten, sogar eine Verschlechterung erfahren hat, so daß meist minderwertige, ranzige Öle erzeugt werden, die dem Nordländer die damit bereiteten Speisen widerwärtig machen, als Speiseöle überhaupt nur an Ort und Stelle verbraucht werden können und nur als Maschinenöl und für allerhand technische Zwecke, also als minderwertige Öle ausfuhrfähig sind. Die Eingeborenen, nicht bloß in Nordafrika, lieben aber diese ranzigen Öle.

1) Straßburger, Streifzüge an der Riviera, Berlin 1895, S. 8.

Es ist merkwürdig, daß ein und dieselbe Form der Ölpresse überall in den Atlasländern wiederkehrt, von Marokko bis Tunesien, ja bis Djerba und Tripolitanien, und selbst die in Palästina gebrauchte scheint genau des gleichen Systems zu sein. Ich sah eine Ölpresse, mit welcher die eingeborene berberische Bevölkerung im März die Olivenernte verarbeitete, in Südwestmarokko, im Tale von Ain-el-Hadjar in der Landschaft Schedma, dem Hinderlande von Mogador. Sie war in dem einzigen Hause aufgestellt, das im Tale nahe den Ölbäumen lag — alle Dörfer liegen auf den Höhen — dicht neben der Sauia Sidi Ali Berahmun. Sie bestand aus einer aufgemauerten, zementierten, kreisförmigen Plattform, deren Oberfläche ein flaches Becken, eine Art kreisrunden Troges, bildete. In demselben stand senkrecht ein Mühlstein, der, in der Mitte durchbohrt, mittels eines durchgesteckten Baumes von Menschen oder Tieren in kreisende Bewegung gesetzt wird. Er zermalmt so die Oliven, mit denen das flache Becken gefüllt ist und die immer wieder daruntergeschoben werden, bis sie einen weichen, schwarzen Brei bilden. Dieser wird dann in aus Zwergpalmenfaser geflochtene Körbe gefüllt, die in die Presse gelegt werden. Diese besteht aus einem wagrechten, ungeheuer schweren Olivenstamme, den lediglich mit Menschenkräften herbeizuschleppen und aufzustellen eine erstaunliche Leistung gewesen ist und der auf der einen Seite durch ein Schraubengewinde auf die Körbe herabgedrückt wird, so daß dadurch das Öl ausgepreßt wird. Es fließt in ein gemauertes und zementiertes Becken, aus welchem es zum Verkauf in Schläuche gefüllt wird.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904