1. Die Geschichte des Ölbaums.

In Nordafrika haben wohl die Phöniker zuerst in Tunesien, wahrscheinlich auch in Tripolitanien, Olivenzucht eingeführt, in Barka die Griechen. Eine der ältesten phönikischen Kolonien an der Syrte, Zitha, war nach ihren Olivenpflanzungen benannt, ja noch heute lebt dort die Sage, eine Leitung habe die Massen von Öl nach Zarsis, dem Hafen von Zitha, geführt2). Barka war in der griechischen Blütezeit auch eins der am meisten und vorzügliches Olivenöl hervorbringenden Länder. In Tripolitanien und den Atlasländern hat Olivenzucht erst in spätrömischer Zeit, in den ersten Jahrhunderten unsrer Zeitrechnung Bedeutung erlangt, aber größere als irgendwo in den Mittelmeerländern. In der oben (S. 13) angeführten Stelle aus Fenestella wird gesagt, daß, wie in Italien, so auch in Spanien und Afrika zur Zeit des Tarquinius Priscus Olivenzucht betrieben worden sei. Bald nachher muß der Ölbaum aber im karthagischen Gebiet verbreitet worden sein, da schon der landwirtschaftliche Schriftsteller Mago nach Columella3) von seiner Zucht spricht. Etwa ein Jahrhundert später spricht Herodot (IV, c. 145) neben Weinbau auch von Olivenzucht auf der Insel Kyravnis an der Küste der Zaueken. Agathokles fand (nach Diodor XX, c. 8) das karthagische Gebiet wie mit Wein so auch mit Ölbäumen bebaut. Tripolitanien war in römischer Zeit sowohl in den Oasen längs der Küste, wie namentlich in dem gebirgsartig gegliederten Steilabbruche der saharischen Kreidetafel unendlich viel reicher an Ölbäumen als heute. Auch dort zeugen, nachdem Mathuisieulx4) die sog. Sanam, rätselhafte Altertümer des Tarhonahochlands, als Ölpressen erkannt hat, diese hie und da allein noch von früher ausgedehnterer Olivenzucht. In der Kaiserzeit lieferte Tripolitanien ungeheure Mengen Öl nach Rom. Oea schickte jährlich als Zeichen der Dankbarkeit an Septimius Severus eine gewisse Menge Öl, das zum Teil an das Volk verteilt wurde. Beim Tode des Kaisers war der Vorrat so groß, daß er auf 5 Jahre ausreichte, nicht nur für Rom, sondern für ganz Italien, wo auch die Olivenzucht in Verfall geraten war. Die großen Ölvorräte, auf die in Rom immer gesehen wurde, lieferte im im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. vorzugsweise Afrika, noch mehr das heutige Tunesien, wie Tripolitanien und im Anschluß daran das östliche Hochland von Constantine in Algerien. Sallust erwähnt schon den Fluß Muthul als von Olivenhainen umsäumt. Dort ist der Ölbaum mehr wie anderwärts Träger der Kultur gewesen. Er allein hat viele Landschaften, die vorher und heute wieder als öde, baumlose Steppe dalagen und wenige Tausend Nomaden zu ernähren vermochten, in das herrlichste Kulturland verwandelt, in ungeheure Fruchthaine, durch welche Tausende von großen und kleinen Ansiedelungen verstreut lagen und Hunderttausenden von Menschen Wohlstand und höhere Gesittung erschlossen wurde. Von der einstigen dichten Besiedelung sprechen die zahllosen Trümmerstätten, mit denen das Land übersät ist, von der einstigen Olivenzucht die in unglaublicher Zahl und zum Teil in imposanter Größe vorhandenen Trümmer von Ölpressen, Ölmühlen und Ölfabriken. Namentlich auf dem Hochlande von Tebessa auf heute algerischem Gebiet, wo man heute nur noch vereinzelte Ölbäume sieht, scheint die Olivenzucht und die Ölbereitung ganz im großen betrieben worden zu sein. Die Ölbereitung war schon eine außerordentlich vervollkommnete. In der Gegend von Tebessa sind mehrere Ölfabriken ziemlich gut erhalten, die großartige Bauwerke aus Hausteinen gewesen sind; die größten bei Tebessa selbst und in Bir Oam Ali. Auch im Küstengebiet von Algerien, zu beiden Seiten des Kap Chenoua, zwischen Tipaza und Cherchell, wo man heute nur vereinzelte Ölbäume sieht, blühte in spätrömischer Zeit die Olivenzucht; denn auch da sind Ölbäume und Ölfabriken in großer Zahl über das Land verstreut8). Ich sah eine solche, ein römisches Trapetum, auf dem Besitztume des Herrn Tremeaux in Tipaza9). Es besteht aus einem großen kreisrunden Troge aus dem dort anstehenden, leicht zu bearbeitenden, aber an der Luft erhärtenden jungen Kalksandstein, in dessen Mitte sich eine kleine Säule erhebt, auf welcher an einem hölzernen Querbalken drehbar zwei Mühlsteine derartig befestigt waren, daß sie den Boden des Troges nicht berührten und somit nur das Fleisch der Oliven von den Kernen quetschten, nicht die Kerne selbst zermalmten, was dem Wohlgeschmack des Öls abträglich ist Man gewann so besonders feines Öl. Doch waren noch verschiedene andere Systeme im Gebrauch. Auch von den großen Tonkrügen, in denen man das Öl aufbewahrte, denen von Pompeji ähnlich, ist in Tipaza noch ein Exemplar erhalten. Leptis Minor mußte schon zu Cäsars Zeit jährlich 3 Mill. Pfund (fast 1 Mill. Kilo) Olivenöl nach Rom liefern3). Numidien hatte in der Kaiserzeit große Ölausfuhr.

1) Hehn, S. 117.
2) Tissot, Geographie Comparte de la Province romaine d'Afrique, Paris 1884, I, S. 288.
3) De arboribus 17, 1. Vgl. auch H. Barth, Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeers, Berlin 1849, S. 188.
4) A travers la Tripolitaine, Paris 1908, S. 289. Wir gehen später (Tripolitanien) näher darauf ein.


Die Überflutung des Landes durch die arabischen Nomaden hat diesem reichsten Olivengebiete des Altertums den Todesstoß versetzt. Doch mögen auch die gestörten Handelsbeziehungen und die verminderte Aufnahmefähigkeit des römischen Marktes dazu beigetragen haben, ja die Eingeborenen selber vernichteten vielfach, um den Feinden die Angriffe zu verleiden, die Pflanzungen selbst. So wird dies namentlich von der Berbernfürstin Kahena im Auresgebiet berichtet10). Immerhin trat die Verödung, die wir heute vor uns haben, nur allmählich ein, denn noch El Bekri11) berichtet, daß zu seiner Zeit das Land zwischen Gafsa und Kairuan mit Fruchthainen, und noch Edrisi6) im 12. Jahrhundert, daß die Halbinsel des Kap Bon von Olivenhainen bedeckt war. Aber schon hatte die Masseneinwanderung arabischer Nomaden begonnen (1048 n. Chr.), deren Verwüstungen Ibn Chaldun12) schildert. Sie ließen keinen Ölbaum in der Umgebung von Sfax stehen, nur im Sahel erhielten sich die Pflanzungen.

Nach Marokko, wenigstens nach der atlantischen Abdachung, ist die Olivenzucht wohl von Andalusien her eingeführt worden, in den südlichsten Landschaften wohl erst im Mittelalter, da Edrisi noch bedeutende Öleinfuhr von Andalusien nach Saleh erwähnt.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904