1. Die Geschichte des Ölbaums.

Am Bosporus sieht man noch einzelne Sträucher. In Griechenland ist der Oleaster außerordentlich häufig, namentlich auf trockenen Hügeln, wenn auch selten waldbildend. Die nördlichsten Standorte dürften im Tempetale sein, wo er nach brieflichen Mitteilungen des Botanikers von Heldreich, wie am Ossa neben Platanen, Carpinus, Mannaesche, wilden Feigen einen wesentlichen Bestandteil der Wälder bildet. Auch Leake1) erwähnt wilde Ölbäume im Tempetale und ausgedehnte Buschwälder wilder Oliven, die nur des Pfropfens bedürfen, um Frucht zu tragen, an der Westseite des Golfs von Volo. Dichte Gestrüppe bilden dieselben auch auf Petala und den Echinaden. Ganze Wälder wilder Ölbäume finden sich nach La Marmora in den Ebenen der Insel Sardinien, während dieselben sonst in Italien, etwa abgesehen von den Macchien der Maremmen, von Giannutri und Pianosa, dem fortgeschrittenen Anbau des Bodens entsprechend nicht sehr häufig sind. Doch hält der hervorragende italienische Botaniker Caruel2) den Ölbaum für in Italien heimisch. Auf Südspanien, wo er auch auf den Felsen von Gibraltar als Gestrüpp vorkommt, und Marokko wurde bereits hingewiesen. In Algerien gehört der Oleaster geradezu zu den wichtigsten Waldbäumen des immergrünen Gürtels. Eine amtliche Untersuchung, welche 1896 von seiten der Forstverwaltung vorgenommen worden ist, hat ergeben, daß in den Staatswaldungen Algeriens 400000 wilde Ölbäume, freilich nur ausnahmsweise in reinen Beständen, vorhanden sind, die gepfropft werden könnten3). Der wilde Ölbaum kommt im ganzen Teil bis zu 1200 m Höhe als Waldbaum vor und erreicht gelegentlich gewaltige Größe, tritt aber auch in Strauchform als Bestandteil des Unterholzes auf4). In Tunesien sind mir größere Bestände wilder Ölbaume nur nahe der Ostküste, in dem vielgenannten großen Besitze der Enfida, und im Norden bei Ghardimau bekannt. Doch kommt der wilde Ölbaum auch in den Gebirgen nördlich von den Schotts und im Buschwald bei El Djem noch vor.

Wir sehen also, daß der Oleaster vom Ostrande von Iran bis in das südwestlichste Marokko vorkommt, anscheinend nur ausnahmsweise nördlich vom 40. Parallel. Er bleibt also in ähnlicher Weise hinter der Polargrenze des Ölbaums zurück wie die Dattelpalme als Fruchtbaum hinter der Dattelpalme als Zierbaum. Seine größte Verbreitung hat er gerade im südwestlichen Mittelmeergebiet zu beiden Seiten der Meerenge von Gibraltar, wo er, tief im Innern, als wichtiger Bestandteil der Gebirgswälder durchaus ureinheimisch zu sein scheint.

Ganz anders der Ölbaum. Am weitesten reicht derselbe in der Geschichte zurück in Syrien, das ja, wie überhaupt kulturgeschichtlich, so besonders in bezug auf Obstbaumzucht, eine hervorragende Rolle spielte.

In Palästina ist der Ölbaum offenbar uralter Besitz5). Die Juden fanden ihn bei der Rückwanderung in Fülle vor. In den ältesten Zeiten, bis in welche die biblische Überlieferung zurückreicht, erscheint das Land schon als überreich an Ölbäumen. "Ölbäume, die du nicht gepflanzet hast"6), werden den Juden unter den Gütern genannt, die ihnen in dem Lande der Verheißung zufallen sollen. "Ölbäume wirst du sehen in allen deinen Grenzen", sagt Moses7). Sehr früh ist auch Öl aus den Früchten gepreßt worden. Das reinste wurde für die Lampen der Stiftshütte bestimmt oder fand Verwendung als heiliges Salböl, mit dem beispielsweise Samuel David zum König salbte8).

1) Travels in northern Greece I, S. 885, IV, 368.
2) Parlatore Flora italiana, Bd. VIII, S. 155.
3) Trabut, L'Olivier en Algerie, Alger-Mustapha 1900, 8.
4) H. Lefebvre, Les forte de l'Algerie. Alger-Mustapha 1900, S. 90.
5) Ich verweise hier besonders auf Geikie, Bildergrüße aus dem Heiligen Lande, übers. von Walther, Charlottenburg 1896, S. 118.
6) 5. Mos. 6, 11.
7) 5. Mos. 88, 40.
8) 1. B. Sam. 16, 1, 2. Mos. 27, 20; 30, 24.

aus "Der Ölbaum" von Theobald Fischer, 1904